Die Ampelregierung schiebt das versprochene Klimageld auf die lange Bank – und das ist ein großer Fehler. Denn sie untergräbt damit das Vertrauen, dass der Umbau des Landes, der für das Erreichen der Klimaziele nötig ist, sozial gerecht erfolgt. So mobilisiert die Ampel die Abwehr gegen diese nötige Transformation.

Völlig zu Recht haben die Ak­ti­vis­t:in­nen von Fridays for Future die Forderung nach der schnellen Einführung eines Klimageldes ganz nach vorne geschoben. Im Gegensatz zur Bundesregierung ist ihnen klar, dass es ohne eine unmittelbar wirksame soziale Abfederung keine Akzeptanz für klimapolitische Vorhaben geben wird.

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Doch das versprochene Klimageld kommt nicht: Das Bundesfinanzministerium arbeite an einem Mechanismus, der das in einigen Jahren ermöglichen würde, heißt es. Angeblich ist das Problem, an die IBAN-Nummern der Bür­ge­r:in­nen zu kommen. Aber das es wirklich daran hakt, ist wenig glaubhaft. Denn die Regierung hat keinerlei Gegenfinanzierungspläne für das Klimageld.

Die Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen in den Klima- und Transformationsfonds. Aus dem sollen unter anderem Projekte für den klimagerechten Umbau der Wirtschaft und die Förderung des Heizungstauschs in Wohngebäuden finanziert werden – und eigentlich das Klimageld.

Vor Kurzem hat die Regierung den Finanzierungsplan für den Klimafonds vorgelegt. Er sieht Ausgaben von mehr als 200 Milliarden Euro bis 2027 vor – aber keinen einzigen Cent für das Klimageld. Es wird in absehbarer Zeit also keinen Ausgleich geben; die Ampel will ihn schlicht nicht. Das gilt auch, wenn schlaue IT-Tüftler:innen dem Finanzminister übermorgen eine technische Lösung für die Auszahlung präsentieren sollten.

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Die Nachbarn sind weiter. In Österreich, wo die Grünen mit der konservativen ÖVP regieren, bekommen Bür­ge­r:in­nen seit 2022 einen sogenannten Klimabonus als Abfederung für den dort ebenfalls erhobenen CO2-Preis. Er wird auf ein Konto überwiesen, wenn dafür bei den Finanzbehörden eine Nummer hinterlegt ist. Ist das nicht der Fall, kommt der Bonus per Post. Er beträgt bei Erwachsenen zwischen 110 Euro und 220 Euro – je nach Region.

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In Deutschland dagegen diskutiert die Bundesregierung noch gar nicht über Modelle oder Beträge. Grünen-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vor Kurzem erklärt, dass die Einkünfte aus dem CO2-Preis viel zu niedrig seien, um jetzt schon eine Rückgabe an die Bür­ge­r:in­nen in Erwägung zu ziehen. Die soll es nach seinen Vorstellungen erst dann geben, wenn der Preis sehr viel höher ist.

Ohne Kurskorrektur wird es keine Akzeptanz für den klimagerechten Umbau geben, der gerade erst anfängt

Mit solchen Aussagen verspielt Habeck weiteres Vertrauen in die soziale Glaubwürdigkeit der Regierung – und die hat durch die Diskussion um das Heizungsgesetz ohnehin schon enorm gelitten. Bei der Förderung des Heizungstausches bekommen Reiche genauso viel wie Durchschnittsverdienende, finanziert mit dem Geld aus dem CO2-Preis, den alle zahlen.

Das ist Umverteilung von unten nach oben. Das Klimageld würde die Kosten der Transformation gerechter verteilen. Die Einführung nicht sofort anzugehen, sondern ins Irgendwann zu schieben, ist ein fatales Signal. Wie in der Diskussion über das Heizungsgesetz zeigt die Bundesregierung eine kaum zu fassende soziale Ignoranz: Sie versucht gar nicht erst, Bür­ge­r:in­nen für den anstehenden Umbau zu gewinnen. Ohne Korrektur keine Akzeptanz

Die Ampel braucht einen sozialpolitischen Befreiungsschlag. Sie muss zeigen, dass ihr die finanziellen Sorgen der Bür­ge­r:in­nen und deren Zukunftsängste nicht egal sind. Ohne eine Kurskorrektur wird es keine Akzeptanz für den klimagerechten Umbau geben, der ja gerade erst anfängt. Und nicht nur das: In vielen Umfragen ist die AfD bei der Sonntagsfrage für die Bundestagswahl die stärkste Partei, wenn CDU und CSU nicht zusammengerechnet werden. Das sollte die Ampel alarmieren.

Das Klimageld ist sicher nicht die Lösung für alles – um die Transformation sozial abzufedern, ist mehr nötig. Aber es könnte ein Aufschlag für eine Stimmungswende sein – allerdings nur, wenn es schnell kommt und nicht erst nach der nächsten Bundestagswahl. Macht die Regierung einfach weiter wie bisher, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass danach Parteien an der Macht sind, die die klimapolitischen Fortschritte der Ampel einfach wegfegen.

  • yoolio@feddit.de
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    1 year ago

    In Gegenteil, von der SPD ist nichts zu erwarten. Die einzige Ambition war, den Kanzler zu stellen und ein paar Pöstchen zu sichern. In Wahlprogramm nur Plattitüden. Siehst du ja, wie viel von “Klimakanzler” übrig geblieben ist.

    Aber von den Grünen bin ich diesbezüglich wirklich enttäuscht. Wie im Artikel dargestellt ist das doch eigentlich DIE Möglichkeit, eine Lenkungswirkung in Sachen Klimawandelbekämpfung zu erreichen, die sozialverträglich ist, ohne Verbote auskommt und der FDP richtig reingedrückt werden kann. Wie, ihr wollt etwa nicht, dass der Markt es richtet? Ist der Markt vielleicht doch nicht allmächtig? Seid ihr Sozialisten oder was? Sieht man ja ein bisschen daran, das Lindner mit schlechten Ausreden verzögern will…

    • HaiZhung@feddit.de
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      1 year ago

      Und wie sollen das die Grünen gegen 2 blockierer in der Koalition durchsetzen? Lindner brüstet sich ja grade damit was alles zusammengestrichen wird.

      Aber irgendwie ist’s am Ende immer der Fehler der Grünen …

    • FlamingHot@feddit.de
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      1 year ago

      Ich weiß ehrlich gesagt nicht wann jemand mal sozialverträgliche Grüne gesehen hat sofern sie nicht in der Opposition waren. Die haben das noch nie gemacht und werden es auch nie.

      • MrMakabar@slrpnk.net
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        1 year ago

        Kindergrundsicherung war schon sehr ernst von den Grünen gepusht worden, vor nur ein paar Wochen. Dann die beschwerden über den Mindestlohn als zu niedrig von mehreren Grünen Politikern und so weiter. Da kommt schon etwas, aber im Zweifelsfall ist Klima und Naturschutz doch noch für die Grünen wichtiger, aber ganz asozial sind sie nicht.

        • auchschonda@feddit.de
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          1 year ago

          Das ist richtig. Von der SPD hab ich nichts während des Streits zwischen Paus und Lindner zum Thema Kindergrundsicherung gehört. Wer braucht so eine ‘soziale’ Partei? seufz

        • FlamingHot@feddit.de
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          1 year ago

          Mindestlohnt ist eine so glasklare Sache, das kann man nichtmal mehr als Links bezeichnen. Das müsste neben einer Ukraine-Krise absolute Top-Priorität haben, wenn man sich auch nur annähernd als Links und Sozial sieht. Das ist ja auch nur das Mindeste, was man neben der Gierflation und Rekordgewinnen an jeder Ecke lösen muss. Noch vor der Wahl wurde man nicht müde davon zu sprechen, dass man alle Bürger mitnehmen muss wenn man was bewegen will. Dass da nun so wenig von den Grünen kommt und man sich stattdessen lieber mit Heizungsgesetzen und co. beschäftig sagt halt alles.

          So schmerzhaft es auch zuzugeben ist, hat die AfD in einem Recht, hier wird ein riesiger Teil der Bürger komplett im Stich gelassen.

          • federalreverse-old@feddit.de
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            1 year ago

            So schmerzhaft es auch zuzugeben ist, hat die AfD in einem Recht, hier wird ein riesiger Teil der Bürger komplett im Stich gelassen.

            Kannst du nicht wenigstens die Idiotenpartei aus deiner Argumentation außen vor lassen? Die hätten den Mindestlohn ganz sicher nicht erhöht. Vermutlich hätte sie ihn eher abgeschafft.

            Die AfD hat sehr wenige valide Punkte. Und bei Sozialpolitik hat sie noch nie einen gehabt. “Wir lecken Putins Fußzeh und kriegen billige Energie” heißt nicht, dass soziale Härten wegfallen. Vor allem, wenn die gleiche Partei das Sozialsystem entkernen will.

              • federalreverse-old@feddit.de
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                1 year ago

                Ich hätte den Kommentar sicher besser schreiben können. Mein Verweis auf den Mindestlohn war nicht so sinnvoll, das hast du tatsächlich nicht in Zusammenhang gebracht.

                Der Kernpunkt bleibt aber: Man muss nicht überall die AfD mit reinziehen oder ihr Recht geben. Vor allem nicht, wenn die einzige Übereinstimmung, die man mit ihr hat, ist, dass man auch Kritik an einem Sachtverhalt hat.

                • FlamingHot@feddit.de
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                  1 year ago

                  Der Kernpunkt bleibt aber: Man muss nicht überall die AfD mit reinziehen oder ihr Recht geben. Vor allem nicht, wenn die einzige Übereinstimmung, die man mit ihr hat, ist, dass man auch Kritik an einem Sachtverhalt hat.

                  Ich nehme die AfD bewusst mit rein, weil die AfD gerade massiv an Stimmen zulegt und solche Dinge nunmal einen großen Anteil daran haben. Wir bekämpfen die AfD sicher nicht mehr damit, den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun als würden sie nicht existieren. Dafür ist es ein wenig zu spät.

                  • federalreverse-old@feddit.de
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                    1 year ago

                    Und wie bekämpft du die AfD, indem du sie in Diskussionen reinziehst und ihr auch noch Recht gibst, nur weil sie auf einer oberflächlichsten Ebene einen ähnlichen Kritikpunkt hat wie du?

                    Das große Problem, was wir mit der AfD haben, kommt auch daher, wie viele Leute sich mit dieser (eigentlichen Klein-) Partei beschäftigen und wie viele Leute ihr eine Menge Raum geben, zum Beispiel in Talkshows oder in Nachrichten. Kritische Auseinandersetzung gereicht der AfD manchmal zum Vorteil. Was sie aber auf jeden Fall fördert, ist, wenn Menschen ihr zustimmen. Das ist ein Signal, dass die AfD akzeptabel für den Sprechenden ist. Egal, ob du noch dazu sagst, etwa, dass du sie nicht wählen würdest.